Wenn das Ego im Weg steht – Narzissmus als Transformationskiller
Einleitung
Veränderung braucht Klarheit, Mut und Entscheidungsfähigkeit. Doch in vielen Transformationsprojekten ist nicht mangelndes Wissen das Problem – sondern etwas Tieferes: das Ego.
Nicht selten erlebe ich, dass die größten Blockaden nicht in Prozessen, Budgets oder Technologien liegen, sondern in den Köpfen Einzelner.
Oder genauer gesagt: in ihrem Selbstbild, ihrer Machtposition – und ihrer Unfähigkeit, Kontrolle abzugeben.
In diesem Beitrag geht es um eine stille, aber hochwirksame Barriere für Transformation: narzisstische Muster in Führung und Unternehmenskultur.
Narzissmus in der Transformation von Unternehmen erkennen
Wenn wir von Narzissmus sprechen, denken viele an klinische Diagnosen.
Darum geht es hier nicht.
In Unternehmen zeigt sich Narzissmus nicht in psychologischen Etiketten – sondern in Verhaltensmustern, die Veränderung systematisch verhindern, zum Beispiel:
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Die Idee, „nur ich weiß, was richtig ist“
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Das Bedürfnis, immer recht zu behalten
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Übermäßige Kontrolle, Misstrauen gegenüber Delegation
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Emotionale Unfähigkeit, andere Perspektiven zuzulassen
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Die Ablehnung von Feedback – besonders aus dem eigenen System
Diese Muster blockieren nicht nur Teams, sondern ganze Organisationen.
Sie verhindern Lernen.
Sie ersticken Verantwortung.
Sie erzeugen Abhängigkeiten.
Und sie sabotieren Veränderung.
Narzissmus, Macht und Transformation im Familienunternehmen
Inhaber und Führungspersönlichkeiten in Familienunternehmen sind oft stark mit dem Unternehmen identifiziert.
Das ist nachvollziehbar – und in vielen Fällen auch ein Erfolgsfaktor.
Doch genau darin liegt auch die Gefahr:
Wenn die eigene Identität untrennbar mit dem Unternehmen verknüpft ist, wird jede Veränderung zur Bedrohung des Selbst.
Dann wird nicht mehr entschieden, was fürs Unternehmen richtig ist – sondern was das Ego schützt.
Dann geht es um Gesichtsverlust, Deutungshoheit, Kontrolle.
Nicht um Zukunft, nicht um Wirkung.
In meinen früheren Beiträgen habe ich beschrieben, warum viele Unternehmen trotz Klarheit und Risikoanalyse nicht handeln.
👉 Warum kluge Köpfe nicht handeln – obwohl sie die Risiken längst erkannt haben
Typische Transformationskiller im Schatten des Egos
In der Praxis beobachte ich immer wieder die gleichen Situationen:
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Das Projektteam darf arbeiten – aber nicht entscheiden
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Externe Berater werden engagiert – aber systematisch ignoriert
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Strategien werden beauftragt – aber nicht gelebt
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Veränderung wird versprochen – aber kontrolliert sabotiert
All das sind keine Einzelfälle.
Es sind Symptome eines Systems, in dem das Ego wichtiger ist als das Ergebnis.
Wie man das Thema ansprechen kann – ohne Eskalation
Narzissten kann man selten direkt mit dem Spiegel konfrontieren.
Und genau deshalb braucht es Fingerspitzengefühl – aber auch Klarheit.
Einige Impulse aus der Praxis:
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Systemisch statt persönlich argumentieren
👉 „Unsere Struktur erzeugt Entscheidungsengpässe“ statt: „Sie lassen niemanden mitreden.“ -
Reflexionsräume schaffen, nicht Vorwürfe
👉 Beirat, Coaching, Sparringsformate, Peer-Austausch -
Dezentralisierung ermöglichen
👉 Verantwortung sichtbar machen, ohne Macht zu entziehen – z. B. über Pilotprojekte, Kompetenzkorridore
Einen hilfreichen Perspektivwechsel bietet auch dieser Artikel aus der Harvard Business Review – speziell für alle, die mit narzisstisch geprägten Führungskräften arbeiten:
👉 How to Work for a Narcissist – and Survive (HBR)
Fazit: Transformation scheitert nicht an IT – sondern am Ich
Wenn Veränderung nicht gelingt, lohnt sich immer auch die Frage:
Wer hat ein Interesse daran, dass alles so bleibt wie es ist?
Manchmal ist die Antwort unbequem.
Aber genau darin liegt der Schlüssel zur echten Transformation:
Nicht gegen das Ego kämpfen – sondern das System verändern, in dem es regiert.